Es ist eine Eigenschaft, die uns im Wesentlichen von
allen anderen Lebewesen auf diesem Planeten unter-
scheidet. Wir können bis zum letzten Atemzug lernen.
Sagenhaft. Die Meinung, dass Lernprozesse mit der Kind-
heit und Jugend abgeschlossen sind, sind längst
widerlegt. Man kann alles immer lernen.
Man kann bestimmte Qualitäten nicht mehr erlangen.
Aber man kann sehr weit kommen. Ob man Sprachen,
Musikinstrumente oder was auch immer lernen will.
Kein Alter verhindert das. Deshalb sollten viel mehr
alte Menschen wieder studieren gehen. Denn lernen
macht Spaß. Wenn man das Lernen gelernt hat.
Wenn man vermittelt bekommen hat, wie schön
es ist, dass der Mensch sich mit Hilfe seines
Gehirns vollständig selbst beschäftigen kann,
so dass er nie alleine ist. Wer lernt, ist nie alleine.
Er hat immer etwas hinzu zu fügen. Die Neugierde
am Leben zu halten und nicht zu genügsam zu werden,
ist hier die Voraussetzung unserer Wohlstandsgesell-
schaft.
Das Risiko, im Sofa des Wohlstands zu versinken, ist
sehr groß. Deshalb muss man immer wieder auf die
harte Schulbank. Das hält die Neugierde am Lernen
auf hohem Niveau.
Die meisten Menschen glauben mit ein paar Abschlüssen,
einem Führerschein, einem Job und der Volljährigkeit,
sie könnten ruhig das Lernen einstellen. Viele
machen das auch leider. Aber das ist der Anfang
vom Ende der Kultur. Die Arroganz, zu glauben, man
hätte ausgelernt, ist ein fataler Irrglauben.
Denn das, was uns in der Evolution bis zu diesem Tage
hat überleben lassen, ist die Fähigkeit, lernen
zu können. Diese brach liegen zu lassen, muss sich
auf Kosten unserer Spezies auswirken. Was sie
bei genauem Hinsehen schon macht. Wir werden weniger.
Denn wer nichts lernt, hat auch nichts weiterzu-
geben. Der will auch keine Kinder.
Wer viel lernt, der hat eine unbändige Lust, sein
Wissen an seine Nachfahren zu vermitteln. Und
er hat somit zugleich die Chance, von der folgenden
Generation zu lernen.
19. Oktober 2004