Ich werde immer so müde in deiner Nähe. Meine
Konzentration reicht bei Weitem nicht aus,
dir so viel Aufmerksamkeit zukommen zu lassen,
die es benötigt, dich ernsthaft zu betreiben.
Manchmal gelingt es mir, ein Buch zu lesen.
Aber ich muss mich diesem voll und ganz widmen.
Denn oft denke ich beim Lesen an andere Dinge.
Und am Ende einer Seite weiß ich nicht mehr, was
ich auf derselben gelesen habe.
Dann lese ich die Seit noch mal. Das passiert mir
häufig. Es ist ganz sicher, dass du eine der großen
Bereicherungen des Lebens bist, aber mir fehlt – noch-
die Fähigkeit und vielleicht auch die Bereitschaft
dazu.
Ich sehe lieber Filme im Fernsehen oder im Kino.
Ich sehe lieber Menschen in der Stadt zu. Denn eigentlich
bin ich professioneller Cafésitzer und Milchkaffee-
trinker, Menschbeobachter. Das liebe ich und könnte
ich bei gutem Wetter unentwegt machen.
Ich sehe und denke mir dann Geschichten aus. Über
das alte Ehepaar. Über die junge Mutter. Über den
Typ, der versucht, geschickt eine Zeitung aus dem
Zeitungsständer zu klauen. Der Typ, der beim Einparken
schon drei Mal Anlauf nehmen musste und so weiter.
Ich sehe für mein Leben gerne zu. Und an. Lesen
macht mich so müde. Aber die ganze Welt der Bücher
erwartet mich sicher noch. Die laufen nicht weg.
Wenn die innere Ruhe mich endlich erreicht hat,
dann werde ich alles lesen können, was es Wert ist,
gelesen zu werden. Bis dahin gebe ich mich meinen zwei
großen Leidenschaften hin, dem Sehen und dem Schreiben.
Und beides mache ich in vollen Zügen.
19. Oktober 2004