Du bist dann am Größten, wenn du am wenigsten
Helfen kannst. Aber da, wo du wirklich gebraucht
wirst, da bist du weit und breit nicht zu
sehen. An Orten, wo man wirklich auf dich verzichten
könnte, da hältst du dich auf. Aber da, wo dringend
gerade du nach dem Rechten schauen könntest,
da schaust du weg. Mitleid. Du unterlassene Hilfe-
leistung. Du schienst dich im Schmerz des anderen
wohl zu fühlen. Du nimmst nicht in den Arm
der anderen sonder deiner selbst willen.
Du stehst starr da und machst nichts, außer deiner
Betroffenheit über das Schicksal anderer Aus-
druck zu verleihen. Anstatt deinen Gefühlen
freien Lauf zu lasen. Denn dem Mitleid ist man
fast geneigt, genauso so viel Aufmerksamkeit zu
widmen, wie dem Leid.
Aber du vereinst uns. Im Mitleid sind
wir miteinander im Leid. Alle nähern wir uns dem
Leid eines anderen. Wir trauern, wir leiden ein wenig
mit. In der Hoffnung, den Schmerz zu mindern.
Oft übertreibst du es und man weiß nicht mehr,
was man von dir halten soll. Aber oft unterschätzt
man dich. Denn du kannst die Solidarität mit dem
Schicksal bekunden. Nicht da, wo du selbst ge-
tröstet werden willst. Sondern dich zurück hältst
und das Schicksal in den Arm nimmst. Den Schmerz
streichelst. Da, wo du schweigst und einfach nur
zuhörst. Da, wo du die Tür öffnest und das
Leid willkommen heißt. Da, wo du Grenzen über-
schreitest im Schmerz und dich selbst nicht so
wichtig nimmst. Da, wo du dich anstellst. Da, wo
du einfach nur da bist im Leid. Da ist Mitleid
das, was es sein soll. Aber leider hast du oft die
Gestalt eines Mitreisenden angenommen.
Der sich gerne im Leid anderer spiegelt, um dann
das Geschehen zu verlassen mit dem einen Gedanken,
was für in Glück ist mir das nicht passiert.
Mitleid nimmt kein Leid. Sondern es hilft im Leid,
alles das zu tun oder zu lassen, um Menschen im
Leid nicht alleine zu lasen.
19. Oktober 2004