Dienstag, 27. Oktober 2009
Eine Quelle versiegt
„Warum nachher immer alle schlauer sind und es vorher nicht haben kommen sehen.“
Hand auf´s Herz – Quelle?! Jetzt mal ehrlich. Ganz ehrlich. Wer hat daran noch geglaubt und vor allem, was hat er geglaubt. Warum soll in Zeiten wie diesen und denen, die da noch kommen werden, ein Katalogversand noch funktionieren. Es gibt keinen Grund dafür.
Die Geschichte wiederholt sich, wie sie es schon unzählige Male getan hat und wie sie es auch in Zukunft tun wird. Warum ist der Hörzu nicht TV Spielfilm eingefallen? Warum hat Grundig keine schönen Fernseher gebaut wie Löwe? Warum hat Sony nicht den MP3 Player entwickelt, auf das Handy als Zukunftsmarkt gesetzt oder den Flachbildschirm oder den Computer? Warum? Weil es dem Menschen nicht möglich ist, die Wertschöpfungsquelle, die er einmal geschaffen hat, in Frage zu stellen.
Andere auf der Suche nach einer Quelle müssen nichts in Frage stellen, die haben nichts zu verlieren, können nur gewinnen und haben alles gewonnen. Warum ist Amazon nicht Quelle? Warum ist Apple nicht Sony? Warum? Deshalb.
Jeder weiß insgeheim, wie es bei Opel ausgehen wird. Das Auto, in dem Zustand wie es uns heute dargeboten wird, ist Relikt der Vergangenheit. Es basiert auf einem Primärbedürfnis, das längst an Kraft und Wirkung verloren hat. Früher wollten die Menschen ein Auto. Heute brauchen Sie ein Auto. Das ist ein großer Unterschied.
Denn wenn man etwas braucht, gelten andere Gesetzmäßigkeiten, als wenn man etwas will. Die Menschen sind nicht fähig und bereit, das, was ist, in Frage zu stellen, zu überdenken und weiterzuentwickeln, sondern sie gehen so lange zum Brunnen, bis er leer ist. Und dabei klammern sie sich an falschen und überholten Vorstellungen fest.
Wenn morgen China oder Indien ein Elektroauto für 4.999 EUR bauen würde, dann würde etwas passieren, was jetzt keiner glauben oder für wahr halten will. Das ist so, als wenn Apple ankündigen würde, wir bauen ein Handy. Da können die anderen nur müde lächeln.
Aber das Lachen ist denen vergangen. Auch Apple hat jetzt seine Zeit und das wird nicht für immer sein. Jede Zeit hat seine Konzerne, seine Produkte, seine Primärbedürfnisse. Wer bangt noch um Freiheit? Oder stellt Sicherheit wirklich in Frage? Die Themen haben sich gewandelt, aber das System fährt hinterher, wie ein 4-jähriger bei der Tour de France.
Somit öffnet man Türen für Anderes und Neues. Firmen und Produkte, deren Namen wir vor 3 bis 10 Jahren noch gar nicht kannten, gehört nun eine Zukunft. Nicht die Zukunft, sondern auch hier werden wir uns in 30 Jahren fragen, wie konnten die diese Entwicklung verpassen.
Wir verspielen an allen Ecken und Enden unseren Status und Vorsprung, weil wir nicht fähig und bereit sind, dem alten und bestehenden Denken ein neues folgen zu lassen. Unser System ist wie ein Gebiss. Es tut links weh, dann kauen wir eben auf der rechten Seite. Tut die rechte Seite auch weh, dann beißen wir mit den Schneidezähnen. Tun die auch weh, dann ernähren wir uns flüssig ... Anstatt zum Zahnarzt zu gehen und die Zähne kontinuierlich und konsequent zu pflegen. Das nennt man dann Wohlstand. Warum pflegen, wenn es ja immer einen gibt, der den Schaden für einen übernimmt und repariert.
Wir sitzen auf einer großen Party in diesem fetten roten Plüschsofa und kommen da nicht mehr raus. Und immer, wenn jemand vorbeikommt, bitten wir ihn, uns etwas zu essen oder zu trinken mitzubringen. Man kann nur hoffen, dass man nicht aufs Klo muss, sonst ist der Platz weg.
Der Wohlstand, die Gewohnheit, die Bequemlichkeit und die Unfähigkeit, uns und das, was wir tun, selbst in Frage zu stellen, sind der Grund, warum Quelle und Quellen versiegen. Anstatt aufzustehen und in neuen Bahnen zu denken und in neue Quellen zu investieren.
Man selbst ist doch so groß, wer denkt da an kleine Quellen. Uns fehlt die Vorstellungskraft, dass alle Quellen mal klein waren und erst groß werden mussten. Obwohl doch immer alle dabei waren. Die größte Agentur der Welt begann mit zwei Männern. Apple, Mercedes, alles was uns heute groß vorkommt, begann mal sehr klein.
Und alles, was mal groß war, wird dann wieder ganz klein, bis es verschwindet. Der Friedhof der Konzerne, Firmen, Marken und Produkte ist unglaublich groß. Wir können es nur nicht sehen und erkennen, weil es ihn nicht wirklich gibt. Unsere Beziehung zum Tod ist vor allem geprägt durch die Gegenwart des Todes. Das scheint bei Unternehmen so nicht zu sein. Für die ist der Tod nichts, was sie so fürchten, dass er das Denken und Handeln verändert.
Für die Entscheider ist es in der Regel auch ein wunderbarer und schöner Tod. Man macht sich noch mal die Taschen voller Geld und bekommt noch mehr an einem neuen Ort. In der Wirtschaft hat das letzte Hemd nicht nur Taschen, sondern die Hose auch. Und was für welche.
Es fehlt der Antrieb. Es fehlt die nötige Motivation. Es fehlt an allem, was Erfolg bedingt. Man investiert alles in das Problem, nicht in die Lösung. Der Mensch ist so unglaublich starrsinnung und uneinsichtig, vor allem Menschen mit Macht und viel Geld. Genau diese sind davon überzeugt, dass genau diese Macht und dieses Geld ihnen die Legetimation gibt, auch noch immer Recht zu haben.
Dabei ist die lange, teure und schmerzliche Schlange der Fehleinschätzungen so lang, dass man am Ende den Anfang nicht mehr sehen kann. Und immer schafft man es, diese als Einzelfall zu isolieren und abzugrenzen. Niemand will sehen und erkennen, dass alle am selben scheitern. An der Unfähigkeit „relevant“ zu sein und ein emotionales Primärbedürfnis oder gleich mehrere zu befriedigen.
Es ist nämlich nicht die Frage, was ist für mich relevant. Das können diese Menschen alle genau beantworten und danach handeln sie auch. Es fehlt die Vorstellungskraft, was für denjenigen relevant ist, den man erreichen sollte, um das zu erzielen, was eigentlich das unternehmerische oder gesellschaftliche Ziel ist.
Somit sind es drei wesentliche Aspekte, die in sich und jeder für sich klar gegeben sein müssen: Relevanz, Primärbedürfnis und Qualität. Damit ist die Frage, wie es für welche Unternehmen oder Produkte weitergeht, einfach und schnell beantwortet. Falls man sich diese offen und ehrlich beantwortet. Aber wer macht das schon? Wer kann das schon? Wer will das schon?
Da zieht man es doch lieber vor, die Dinge vor die Wand zu fahren und die Schuld bei anderen zu suchen. Und die Verantwortlichen bekommen so viel Schmerzensgeld, dass sie es verkraften können. Und der Rest wundert sich.
Ich kann nur sagen, es ist genau dieses kollektive Versagen, was die Chance für alle ist, die anders denken und handeln können. Wenn es dieses Versagen nicht gäbe, gäbe es auch Apple nicht oder Sony und wir würden heute noch auf einen Grundig Fernseher schauen, ein Grundig Handy und einen Grundig Computer. Denn wenn die die Zeit erkannt hätten, stände die Tür für diejenigen, die da durchmarschiert sind, nicht offen.
Deshalb glaube ich auch fest daran, dass eine Zeit mit großen Verlusten eine Zeit ist mit großen Gewinnen ist. Denn die Menschen wollen ihre Primärbedürfnisse befriedigt sehen. Und wie man sieht, ist es ihnen egal, von wem, wie und für welchen Preis. Hauptsache, es fühlt sich so an.