Montag, 21. Dezember 2009
Wut
Wie beschreibt man Wut? Zur Wut gehört eine gehörige Portion Kontrollverlust. Die Fähigkeit, sich über Dinge aufregen zu können, die man unmöglich beeinflussen kann. Und sich in das Gefühl tiefer und tiefer reinzubohren. Wenn Ärger sich zur Wut auftürmt.
Menschen wie ich, die Wut empfinden können und in einer Art, dass sie sich besser für 24 Stunden wegschließen sollten, leiden letztendlich unter dieser Wut. Denn sie kann nicht nur kaputtmachen, sondern geradezu zerstören. In der Wut ist man zu allem bereit. Alles zu opfern. In der Wut geht man nicht einen Schritt zu weit, sondern tausende, bis es keinen Weg mehr zurück gibt.
Richtige Wut ist extrem körperlich und psychisch. Es ist so, als ob man einen bleiernen Mantel tragen würde. Der drückt auf den ganzen Körper. Zudem geht es im Kopf zu wie im Büro, wenn alle Fenster und Türen beim Sturm aufspringen und alles durcheinander wirbelt. Die Atmung wird schwerer. Und man hat so einen Druck auf dem Brustkorb, als ob jemand dagegen drückt. Die Körperhaltung verändert sich und ein Bewegungsdrang bricht aus einem heraus. Wie diese Tiger, die im Zoo immer am Gitter hin und her laufen.
Und der Kopf spielt Szenarien durch. Immer wieder. Immer lauter. Immer gewalttätiger. Immer zerstörerischer. Der Kopf opfert. Der Kopf richtet hin. Klagt an. Stellt zur Rede, schreit an. Pöbelt. Der Kopf sucht den Fluchtweg in einer Einbahnstraße. Man weiß, dass die Gedanken einen nicht weiterbringen, sondern nur noch mehr aufregen. Aber die Wut will weiter und weiter.
Wer seine Wut kennt, der hat einen Vorteil. Den belastet zwar die Wut, aber sie überrascht einen nicht mehr. Somit versucht man, sie rauszulassen, um sie los zu werden, aber an Orten, wo so wenig Menschen wie nur möglich in Mitleidenschaft gezogen werden. Dummerweise leiden am meisten die Menschen unter der Wut anderer, die aber auch gar nichts dafür können. Um so näher einem Menschen sind, um so gefährdeter sind sie, von der Wut getroffen zu werden.
Ich mag meine Wut nicht. Denn ich wäre lieber gelassen. Aber was soll man machen. Man kann ja nicht sagen – ICH BIN NICHT WÜTEND, VERDAMMT NOCH MAL. So einfach geht das nicht. Das ist ja so wie bei kleinen Kindern, die sich die Hände vor die Augen halten und glauben, dass sie nun niemand mehr sieht. So einfach wird man nicht unsichtbar. Und so einfach überwindet man Wut nicht.
Zur Zeit bin ich sehr wütend. Sehr. Aber ich wollte mit diesem Text meiner Wut ein Schnippchen schlagen. Denn nichts hasst die Wut mehr, als wenn der Wütende einen Weg findet, diese zu bändigen und zu kontrollieren. Es gibt keine kontrollierte Wut, das nennt man ärgern. Ärgern ist was völlig anderes. Ärgern, lächerlich. Ärgern? Kann ich mich überhaupt ärgern? Oder lasse ich diese Phase der Emotion aus und gehe lieber gleich zur Wut über. Wenn man wütend ist, kann man das nicht beurteilen. Da muss ich mal in einem ruhigeren Moment drüber nachdenken. Es ist 17.35 Uhr Freitag, der 18. Dezember 2009. Und meine Wut ist immer noch nicht vorbei.
Bis der Text online ist, weil da noch Korretur gelesen werden muss ist meine Wut hoffentlich vorbei. Es ist Montag die Wut hat sich erst in Ärger, dann in ärgerlich verwandelt.
Das ist interessant und... Was machst du jetzt mit deinem Ärger, der keine Wut mehr ist?
LG,
rajas
Schlimm ist es, diese Energie nicht für sich nutzen zu können.
Diese Energie, die in solchen Momenten den Namen "Ärger" und "Wut" trägt.
Blind ist die Wut. Blind ist bekanntlich auch die Liebe. "Wahrhaftige Blindheit", fällt mir noch ein. (Frag mich nicht, wer das einst sagte)
Schön finde ich den Gedanken, seinen Ärger für sich zu nutzen und eben nicht andere damit zu verletzen, noch sich selbst.
Diese Welle - bei Welle denke ich an Bewegung - , diese mächtige Bewegung in sich - für sich - nutzbar zu machen, auch wenn diese Bewegung den Namen Ärger oder Wut trägt.
Oh! Trägt... Mir fällt ein, diese Welle trägt...
Was könnte sie noch alles tragen?
Sehr, sehr interessant! Und abendfüllend!
Ich höre jetzt besser auf.
Danke dir für diese Denkanstöße. Fühlt sich gut an.
rajas